My dark passenger
(Ja, ich habe eine Dexter-Reference gemacht. Für immer meine Lieblingsserie.)
Vor ein paar Monaten habe ich nach einem Einführungsgespräch bei meiner zukünftigen Therapeutin die vorläufige Diagnose „Dysthymie“ bekommen, also chronische Depression.
Vor ein paar Monaten habe ich nach einem Einführungsgespräch bei meiner zukünftigen Therapeutin die vorläufige Diagnose „Dysthymie“ bekommen, also chronische Depression.
Für mich war das eine große
Erleichterung. Wenn man, so wie ich, so viele Jahre etwas mit sich
herumträgt, von dem man weiß oder vermutet, dass es nicht so sein
sollte, ist jede Bestätigung ein Schritt in Richtung Besserung. Oder
doch eher Akzeptanz? Die Diagnose fühlte sich jedenfalls wie ein
Sechser im Lotto an. Chronische Depression zu haben ist kein Gewinn,
aber in unserer Gesellschaft und für den eigenen Kopf ist es gut,
sich an etwas Begrifflichem festhalten zu können.
Seit ich 14 bin fühle ich mich schon
so: Man merkt es mir nicht an, aber ich trage jeden Tag eine gewisse
Antriebslosigkeit mit mir herum. Selbst wenn ich richtig Spaß an
etwas habe, steht immer irgendwo das Gefühl im Raum, einfach gerne
nach Hause zu wollen. Und wenn es nur an der Tür steht, wo es mich
abfängt, wenn ich gehe. Dieses Gefühl ist, obwohl ich es so gut
kenne, immer wieder frisch. Es wird nie alt und es wird nie zum guten
Freund. Es wird nicht gütiger und es wird nicht zur Gewohnheit. Das
ist der Witz daran.
An manchen Tagen ist es einfacher zu
händeln als an anderen. In schlechten Zeiten zieht es mich auf ein
Level herunter, das sich anfühlt, als schwimme ich 500 Meilen unterm
Meer. In guten Zeiten frustriert es mich mit der immer aufgewärmten
Neuigkeit, dass auf jedes Glück, das ich erfahre, eine kleine
Downphase folgt.
Manchmal schieb ich es auf die Gene
meiner Oma, die an Depressionen litt, als sie noch am Leben war.
Manchmal schieb ich es auf meine eigene Unfähigkeit, mein Leben
schön und aufregend zu gestalten, und mich einfach mehr
anzustrengen. Manchmal schaffe ich es, das Gefühl in der Ecke stehen
zu lassen und mich zu akzeptieren, wie ich bin.
Manchmal denke ich an die Zeit, die ich
damit vergeudet hab, es zu empfinden, anstatt mir direkt Hilfe zu
holen. Dann frage ich mich, warum mir niemand beigebracht hat, was
Depressionen sind und dass meine Gefühle nicht „normal“ sind.
Dann frage ich mich, warum ich nie offen drüber rede. Dann fällt
mir ein, dass die Gesellschaft und der Großteil meines (vorallem
früheren) Umfelds kein Verständnis dafür haben.
Ich kenne das Gefühl so gut wie meine
Handrücken. Auf meinem linken Handrücken habe ich einen Leberfleck
zwischen Zeigefinger und Daumen, auf meinem rechten 3 Leberflecke,
die vom Daumen hoch in Richtung Mittelfinger gehen. So oft wie ich
meine angeborenen Leberflecken angesehen habe, habe ich auch an meine
Stimmung gedacht. Ich erinnere mich kaum an eine Zeit ohne.
Warum dieses schockierende Geständnis?
Es sollte nichts schockierend daran sein. Ich will nicht, dass
irgendjemand traurig darüber ist. Ich habe die Depression heute mit
mir rumgetragen, ins Bad, zur Arbeit, ins Schlafzimmer, wie ich sie
vor 8 Jahren mit zum FSJ und in den Regionalzug getragen hab, so wie
ich sie dabei hatte, als ich zu meinem Traumstudiengang zugelassen
wurde und als ich das erste Mal richtig doll verliebt war. Ich hab
trotz Depression Momente genießen können und kenne fast niemanden,
der so viel lacht wie ich selbst.
Ich liebe meine Freundin, meine
Familie, meine Freunde, meinen Job und kriege meinen Alltag prima
hin. Aber das eben, während ich seit 12+ Jahren versuche, einen
Muskel zu trainieren, der sich nicht trainieren lässt. Depression
lässt sich nicht abhärten. Ich komm aber trotzdem aus dem Bett und
habe alles, was ich zum Leben brauche.
An mir ist nur anders, dass ich oft
antriebslos bin und lieber Zuhause bleibe und mich frage, wie es ist,
ohne Depression zu leben. Ohne etwas, das mich täglich 10cm tiefer
in den Boden drückt als andere.
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