I can't be honest because I am afraid of being problematic in some way and being dragged and hurting people. - A post about the effects of trying to be a better person.

Zu Anfang möchte ich sagen, dass das Zitat im Titel von Ash Hardell stammt, deren neues Video einfach so gut beschrieben hat, was ich schon lange fühle.

Ich würde mich als unsicheren Menschen beschreiben, der nie gut erklären konnte, ob und wieso er etwas unfair findet. Bis ich Feminismus entdeckt habe! Und plötzlich war alles so easy: Tumblr-Feminismus hat mir die Welt erklärt und wie wir sie besser machen können. Und das auf so eine zugängliche, offene, freundliche Weise, dass ich glücklich war, endlich die Puzzleteile meiner eigenen Werte und Gedankenansätze zusammensetzen zu können. Viele feministische Grundsätze waren ohnehin schon in mir drin, ohne dass ich es wusste: Frauen können Sex mit so vielen Menschen haben, wie sie wollen, und sollten deswegen nicht fertig gemacht und Schlampen genannt werden. Jede_r bestimmt selbst , mit wem er/sie schlafen möchte und sollte andere nicht wegen deren Entscheidungen kritisieren. Und: Nur weil man mich als Frau sieht, heißt das nicht, dass ich bestimmte Sachen nicht kann oder auf die Farbe Pink stehe. Alles gute Ansätze, aber Feminismus gab mir das System, das alles zu verbinden, genauer zu definieren und auszubauen. In 2014 hat das meiner persönlichen Weiterentwicklung einen unglaublichen Push gegeben, denn: Ich setzte mich nicht nur zum ersten Mal mit Diskriminierung und sozialer Gerechtigkeit auseinander, ich sah auch alles klarer und ich gewann mehr Selbstbewusstsein.

Wie alle guten Dinge, brachte auch dieses dazu lernen natürlich Schattenseiten mit sich. Dadurch, dass ich anfing, über Tumblr hinaus Bücher und Videos zu (intersektionalem) Feminismus zu konsumieren, gewann ich einen anderen Blick auf die Welt. Es war, als hätte ich immer einen imaginären Rotstift dabei, mit dem ich zwanghaft die Aussagen einzelner Menschen kritisieren und korrigieren musste. Das brachte viel Stress mit sich. Ich sprach ich selten darüber, wieso etwas problematisch sei – beispielweise die Aussage, dass alle schwulen Männer feminin wären oder die Meinung, sich zu Karneval als weiße Person als Geisha zu verkleiden, wäre cool. Ich bin meistens eine konfliktscheue Person und mag es, wenn andere Leute sich in meiner Gegenwart wohl fühlen. Außerdem hätte ich für solche Gespräche sehr weit ausholen müssen, um der Person die genauen Gründe zu erklären. Das ist zeitaufwendig und stressig für mich und die meisten Menschen, die ich kenne, kriegen es nachvollziehbarerweise in den falschen Hals, wenn ich ihnen Sexismus oder Rassismus unterstelle. Und um dieses miese Gefühl der Unterstellung geht es in diesem Text auch irgendwie: Um dieses permanente sich-angegriffen-fühlen. Das ist etwas, was ich aus beiden Situationen kenne: Wenn man mich korrigiert oder mir etwas vorpredigt, oder wenn ich eine schwierige Aussage höre und sie mich nervt. Beides stinkt.

Auf letzteres würde ich gerne nochmal eingehen: Ich fühle mich selten wirklich von unsensiblen Sprüchen verletzt. Ich habe meine Empfindungen gut unter die Lupe genommen und fühle mich nur bei Aussagen rund um Trans-Themen (Es gibt nur 2 Geschlechter, Männer sind so, Frauen so, Klischees und Stereotype) getroffen, denn solche Sprüche indizieren ein Nicht-vorhanden-sein von nicht-binären Identitäten, was mich einfach selbst betrifft. Außerdem konsumiere ich viel rund um das Thema Trans und weiß daher aus Erzählungen, wie verletzend alles in die Richtung sein kann.
Was alle anderen Dinge angeht, verhält es sich damit wie auch vor meiner Tumblr-Feminismus-Epiphanie: Natürlich find ich es doof, aber das wars auch.

Das sind also meine eigenen Empfindungen. Jetzt kommt das, was ich seit 3 Jahren mit mir herumtrage: den hysterischen Rotstift-Filter. Die Stimme, die korrigiert, rumnörgelt, mich und andere kritisiert, die mich davon abhält, mal relaxt einen Film zu sehen, ohne alle seine diskriminierenden Stellen durchzuanalysieren. Und das ist anstrengend. Das ist belastend. Und das ist vorallem eins: Unproduktiv.

Natürlich ist es super, dass mir das alles bewusst ist. Ich habe immer den Drang, noch mehr darüber zu lernen, was unsere Gesellschaft für abgefuckte Vorstellungen hat. Hinter den Vorhang zu sehen und Erfahrungen von Minderheiten zu lauschen, um ein Bewusstsein zu bekommen.

Aber es bringt nichts, diese nörgelnde Stimme im Kopf zu haben, und sie im schlimmsten Fall noch mit anderen zu teilen. Ich kenne aus den 3 Jahren gerade mal ein bis zwei Situationen, in denen das wirklich produktiv war. Und das sind dennoch keine schönen Erinnerungen, sie sind unangenehm, auch wenn ich die Meinung einer Person ändern konnte.

Stimmen von außen spielen auch eine Rolle, denn sie prägen mich und einige machen mir noch mehr Stress, als ich mir eh schon selbst mache. Weswegen ich absolut meinen politischen Kampfgeist verloren habe. Als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich einen riesigen Zugang zu feministischen Resourcen bekommen: Events, Treffen, Input, Medien, Menschen. Das war unglaublich geil, hat sich aber auch als anstrengend erpuppt. Denn wo ich erst Community sah, war vorallem auch ein Eierlauf. Und, um ehrlich zu sein, wenig Vertrauen, dass ich schon keine versteckte, böswillige Sexistin bin. Darum habe ich den Elan verloren, zu Events zu gehen, bei denen ich mehr ein kritisches Klima als Solidarität und Gemeinschaft erfahre. Das ist absolut nur meine eigene Perspektive und eine andere Person in Berlin mag das als genau gegenteilig empfinden.

Ich dachte früher, ich mache mich frei von den engstirnigen Regeln und Ansichten, mit denen ich sozialisiert worden bin – dass ich endlich mich und andere so leben lassen kann, wir es für uns richtig ist. Aber die Art der Praktizierung von Feminismus, mit der ich konfrontiert bin, ist so anstrengend und laut und erbarmungslos, dass ich meine eigenen Gedanken nicht mehr höre. Ich werde genau wie vorher zurechtgeschnitten und stumm gemacht. Wie im Sexismus gibt dieses unkonstruktive Gehetze Regeln vor, an die sich jeder halten muss, ohne über sie nachzudenken, ja frei über sie diskutieren zu können.

Ich bin immernoch Feministin, einfach weil ich es bin, aber so wie es mit Religionen und Extremismus ist, gibt es für jeden einzelnen positive und negative Weisen, mit den eigenen Grundsätzen umzugehen. Ich hoffe, es wird mir bald leichter fallen, mich nicht mehr für alles entschuldigen zu wollen. Mein innerer Feminismus ist immernoch geprägt von dem Lebensgefühl, welches ich damals auf Tumblr verspürte: der Akzeptanz von mir selbst und anderen. Dieses „who cares“, „live and let live“. Ja, ich möchte zuhören und lernen. Nein, ich möchte niemanden mehr in persönlichen Gesprächen kritisieren. Nein, ich möchte nicht mehr, dass man mir Böses unterstellt, weil ich es nicht besser weiß. Ja, ich will weiter mit meinen engsten Freunden über die Gesellschaft diskutieren und was falsch mit ihr läuft. Nein, ich will nicht von anderen auf jede Kleinigkeit hingewiesen werden.

Ich will mich mit mir selbst und anderen wohl fühlen. Ich will den Rotstift in dieselbe Mülltonne schmeißen, in der ich damals die ganzen alten „Jungs mögen Blau“-Sprüche geworfen habe.




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