Regentage
Kann man
etwas vermissen, obwohl man es gerade erlebt?
Ich
schaue aus dem Küchenfenster meiner Mutter rüber in den Garten, der
zwischen ihrem Haus und unserem alten Zuhause liegt. Es ist kühl und
der Regen tröpfelt auf die Eiche, mit der ich groß geworden bin,
unter die mich mein Vater jedes Jahr für ein Geburtstagsfoto
stellte.
Eins
meiner größten Probleme ist, dass ich nicht verstehe, wie sich so
etwas ändern kann. Es gibt schöne Traditionen, Festitivitäten,
Verhaltensweisen, und vor allem heilige Dinge, die einem von klein
auf beigebracht werden, die für einen normal und wie in Stein
gemeiselt sind. Doch plötzlich, innerhalb einer Sekunde, kann sich alles ändern, und das Heilige bricht auseinander und dann ist man
konfrontiert mit der Tatsache, dass alles so nicht mehr sein
wird und dass man in Hausschuhen gerade blind 3 Straßen hoch gerannt
ist.
Was ich
meine, ist, etwas wird einem verkauft als Normalität, ein Leben, das
einfach so gelebt wird, und dann wird es einem plötzlich weggenommen
und keiner ist Schuld. Und dann ist alles anders, und die Menschen
sind anders, und man steht alleine da mit den ganzen Erinnerungen und
Traditionen und kann selber sehen, was man damit anstellt, wie eine
Kiste geerbter Sachen, die man in den Armen aus dem Haus trägt.
Und dann
ist man erwachsen und alle tun so, als wäre das alles selbstverständlich.
Ich
lerne immernoch, mit meiner Kiste voller Erinnerungen klarzukommen,
ich muss sie wieder und wieder rausholen und auf ihnen rumkauen, aber
sie sind hart wie Stein und garnicht wie ein schöner bunter Film
Dias. Vielleicht werden sie es eines Tages sein, wenn sie nicht mehr
nur davon gezeichnet sind, dass sie nicht mehr die Gegenwart
widerspiegeln.
Es hat
aufgehört zu regnen, und ich denke an all die regnerischen Tage, an
denen ich als Kind aus meinem Fenster in den Himmel gestarrt habe,
die warme Heizung an meinen Füßen.
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